31.5.2021-17.7.2021. Durch das Fenster zu sehen und beleuchtet täglich bis 22 Uhr. Die Künstlerin ist anwesend / Führungen: Freitag 16. Juli 11-19 Uhr + Samstag 17. Juli 11-16 Uhr 2021
Die Künstlerin Joanna Schulte aus Hannover befasst sich in ihrer Arbeit mit Installationen, die Erinnerungen und Sehnsüchte thematisieren. In der Ausstellung „Hin und Her ist nicht vor und zurück“, die in der Reihe #openaccessart im Kunstraum Elsa in Bielefeld gezeigt wird, wandelt sich der Innenraum zum Außenraum, und umgekehrt. Für das Publikum findet der Zugang zur Ausstellung durch das Fenster statt. Es ersetzt die Theaterloge und die Galerie wird zum Bühnenraum. Dort befindet sich ein Wanderweg auf einem Boden aus Rindenmulch. Ein im Grunde vertrauter Anblick, ist der Wald doch gerade jetzt einer der wenigen Orte, an denen das Betreten gestattet ist. Der Weg führt hin und her, aus einem Raum in den anderen und zurück. Wohin gehen wir, wenn wir nach Innen gehen? Begleitet werden die Gedankengänge von einer Soundinstallation im Außenlautsprecher.
Innen an der Wand hängen große Bilder von Landschaften. In ihnen, von hinten aufgenommen, steht eine einsame Frau in Rot, es ist die Künstlerin. Auch diese Bilder sind einem so oder ähnlich vertraut: in der Malerei Caspar David Friedrichs (Der Wanderer) oder, preiswerter, als Fototapete. Das ungewöhnliche ist hier die Frau, sie ist zu klein, um als Fotoobjekt zu dienen, trägt aber auch keine Wanderkleidung. Einsam, eigenständig und leuchtend durchstreift sie wie eine Erscheinung die Landschaften.
Die Sehnsucht nach der Natur ist zugleich die Sehnsucht nach dem Abbild der Natur, nach einem Naturerlebnis das weit entfernt ist von der Bedrohung und der Ohnmacht, die die Natur dem ungesicherten Menschen gegenüber bedeutet. Der Wanderweg symbolisiert das Versprechen einer Ordnung: Setze Deinen Fuß auf mich. Ich weise Dir den Weg.
You can look but you can’t touch, das Motto von Museen und Stripclubs, was bedeutet es hier? Die Galerie ist, von außen einsehbar, eine Erweiterung des öffentlichen Raums. Die Fotografie ist ein Fenster in die Ferne, und das Fenster vor meiner Nase bildet den Rahmen meiner Wahrnehmung. Ich sehe den Wanderweg, ich laufe auf ihm (in der Imagination). Ich stehe am Fenster, mitten in der Innenstadt, und hoffe, dass die Radfahrer mir ausweichen. Wie viele Menschen verbringen die Zeit in der Pandemie im Inneren vor Glas. Schauen, Warten. Auf das Ende der Quarantäne, auf das Ende der Pandemie, auf den Impfstoff. Hier kann man in ein anderes Fenster schauen, und seiner eigenen Sehnsucht begegnen: nach Reisen, Eigenständigkeit, und vielleicht das Wichtigste: einem Weg
Katharina Bosse