Ira Thiessen „Kukushka“

Sonntag – Dienstag 23.5.-25.5. 15-19 Uhr Fensterführungen live mit Ira Thiessen. 19-22 Uhr ist die Ausstellung beleuchtet.

Ira Thiessen wurde 1983 in der ehemaligen Sowjetunion in Bishkek, Kirgisistan, geboren. Diese Herkunftsgeschichte inszeniert sie in ihrer aktuellen Arbeit KUKUSHKA (dt. Kuckucksuhr) in einer Installation mit Fotografien und Objekten.

Schon während ihres Fotografiestudiums an der Ostkreuzschule in Berlin befasste sich die Künstlerin mit der Identität der Russlanddeutschen in Deutschland und behandelte im Jahr 2015 das Thema in Ihrer Abschlussarbeit PRIVET GERMANIA (dt. hallo Deutschland). Die familiäre Kulturgeschichte bildet einen roten Faden in ihren Arbeiten, an den sie auch mit dem neuen Fotoprojekt KUKUSHKA anknüpft.

Hier erforscht und inszeniert sie die persönlichen Dinge neu, die die Familie bei der Ausreise aus der damaligen Sowjetunion in ihre Koffer packte. Porzellan, Kristall und Uhren „Made in UDSSR“. Kuckucksuhren, die als deutscher Exportschlager auch in Russland sehr beliebt waren. In die Installation finden aber auch Dokumente, Rezepte, Schmuck und Fotografien Eingang, die vorher gut verstaut in Schubladen und Kellern gelagert waren.

Persönliche und individuelle Gegenstände werden so zum Abbild der kollektiven Erinnerungen an die Sowjetzeit.

Die Ausstellung wurde in der Katgorie „Alleinerziehende Künstlerinnen“ von einer Jury unter der Teilnahme von Christina Végh, Kunsthalle Bielefeld, und Katharina Bosse, FH Bielefeld, ausgewählt.

Interview

1.Was ist das Thema deiner Arbeit? 

In meinenen Arbeiten setze ich mich mit meiner eigenen Herkunftsgeschichte auseinander. In KUKUSHKA erforsche und inszeniere ich die persönlichen Gegenstände neu, die meine Familie bei der Ausreise aus der damaligen Sowjetunion in ihre Koffer packte. Foto und Rauminstallation werden zum Abbild kollektiver Erinnerungen an die Sowjetzeit. 

2. Wie hast du die Arbeitsbedingungen im Kunstraum Elsa nutzen können? 

Über vier Wochen standen mir mehrere Räume im Kunstraum Elsa zur Verfügung. Ein Arbeitsatelier und zwei Ausstellungsräume. Ich konnte gleichzeitig alle Räume nutzen, so dass ich während der vier Wochen die Chance hatte, meine (erarbeiteten Werke) Arbeiten in den Galerieräumen parallel mit auszustellen. 

3. Was ist das besondere an dieser Ausstellungssituation (unter Pandemiebedingungen)? 

Das Besondere an dieser Ausstellungssituation war, dass trotz des Eintrittsverbots wegen der Hygienevorschriften, Menschen meine Arbeiten durch das Fenster sehen konnten. Durch geöffnete Fenster haben wir den Besuchern die Möglichkeit gegeben meinen Arbeitsprozess, so wie die fertige Arbeit verfolgen zu können. 

4. Die Fenster stehen offen, und Leute kommen vorbei und sehen die Ausstellung durch das Fenster – kannst du diese Situationen beschreiben? Was wird gefragt? 

Sie waren sehr erfreut darüber, trotz der eingeschränkten Bedingungen, Kunst sehen zu können. Man hatte durch das geöffnete Fester guten Einblick auf die Arbeiten und genug Abstand zu den Personen. Es wurde oft gefragt, im welchem Zusammenhang das Arbeitsstipendium ausgeschrieben wurde. Dann natürlich auch viele persönliche Fragen zu meiner Herkunft, um die es in meiner Arbeit geht. 

5. Wie siehst du deine Situation als Mutter und Künstlerin? welche Erfahrungen hast du damit gemacht? 

Ich habe 2015 meinen Abschluss in künstlerischer Fotografie an der Ostkreuzschule in Berlin gemacht und durfte meine Abschlussarbeit auch außerhalb Deutschlands zeigen. Als ich 2016 von einer Reise nach Peking zurückkam, wo ich ein Workshop im Deutsche Goethe-Institut zum Thema konzeptuelle Fotografie leitete, erfuhr ich, dass ich schwanger war. Die Vorstellung, dass meine künstlerische Entwicklung damit jäh gestoppt werden würde, machte mich traurig. Bis mich dann unter anderem ein Artikel von Katharina Bosse in der Monopol Ausgabe „Das letzte Tabu: Kunst und Kind“ dazu motivierte, Kunst und Mutter sein nicht losgelöst voneinander zu betrachten. 

Damals kannte ich Katharina noch nicht, war aber sehr froh zu erfahren dass es diese Frauen gibt: Erfolgreiche Künstlerinnen mit Kindern. 2017 kam mein Sohn zur Welt und Anfang 2019 beschloss ich dann Berlin zu verlassen, weil ich dort mit meinen Projekten zeitlich und räumlich nicht vorankam. Also zog ich zurück nach OWL. Kompletter Neustart und kein Geld für eine neue Arbeit. Ich verkaufte alle meine komplette analoge Ausrüstung, und kaufte mir dafür eine einfache digitale Kamera, um wieder arbeiten zu können. Dann begann ich 2020 mein Projekt KUKUSHKA umzusetzen. In diesem Jahr habe ich mich um einige Stipendien bemüht, leider mit wenig Erfolg. Vielleicht lag es daran, dass ich bis dato nur eine Arbeit vorzuweisen hatte oder weil ich so lange pausiert hatte, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall empfand ich es als sehr mühsam Kind, Job, das Projekt und die vielen Bewerbungen für Stipendien, unter einen Hut zu bekommen. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie kann ich es schaffen meine Arbeit ohne finanzielle Unterstützung umzusetzen? Kein Material, kein Atelier und kein Babysitter – es war zum Verzweifeln. Dann kam die Ausschreibung für das Arbeitsstipendium von Katharina Bosse. Große Freude schließlich, die Jury entschied sich für mich. 

Während diesen arbeitsintensiven vier Wochen, konnte ich dann endlich die Arbeit KUKUSHKA in einer Foto und Rauminstallation realisieren.
Ich finde es generell schwierig sich als Künstlerin in der Kunstwelt zu etablieren und als Mutter ist es noch schwieriger, da der verlangsamte Arbeitsprozess nicht gutgeheißen wird und immer noch die Vorstellung vorherrscht, dass Mütter nicht auch gleichzeitig gute Künstlerinnen sein können.